- 30 Tage Haft: OLG Celle greift zur Durchsetzung einer Kindesherausgabe hart durch
Sorgerechtsstreitigkeiten sind immer eine ernste Sache. Im folgenden Fall jedoch sah sich selbst das zuständige Oberlandesgericht Celle (OLG) - bei dem man davon ausgehen kann, dass es schon so einige harte Fälle erlebt hat - gezwungen, statt eines Ordnungsgelds eine Haftstrafe gegen eine Mutter zu verhängen. Denn diese hatte eine besondere Widerspenstigkeit gegenüber der getroffenen Sorgerechtsentscheidung an den Tag gelegt.
Seit Jahren stritten Mutter und Vater über das Sorgerecht. Nachdem dies 2021 endgültig dem Vater übertragen worden war, verweigerte die Mutter die Kindesherausgabe. Das Familiengericht gab dem Vater und dem Jugendamt alle rechtlichen Möglichkeiten an die Hand, die Herausgabe der neunjährigen Tochter durchzusetzen, es wurde sogar die Wohnung der Mutter vom Schlüsseldienst geöffnet und die Polizei hinzugezogen. Die Mutter hatte - dies voraussehend - rund 15 Zeugen für diesen Termin organisiert, die alles aufzeichneten und zusammen mit ihr das Kind darin bestärkten, sich gegen die Mitnahme zu wehren. Die Polizisten beschrieben die Situation als gestellt, manipulativ und darauf angelegt, dass es zu Handgreiflichkeiten komme. Eine unbeeinflusste Unterhaltung mit dem Kind sei den Polizisten oder Jugendamtmitarbeitern nicht möglich gewesen. Dieser Inobhutnahmeversuch wurde abgebrochen. Anschließend hielten sich Mutter und Tochter monatelang bei verschiedenen Freunden und Verwandten auf, um nicht greifbar zu sein; die Tochter besuchte die Schule nicht. Zudem musste die Mutter beim Gerichtsvollzieher erscheinen, um Angaben zum Aufenthalt der Tochter zu machen - allerdings war auch das unergiebig.
Im Ergebnis schaffte es die Mutter anderthalb Jahre lang, das Kind abzuschotten und dessen Herausgabe zu verweigern. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Kindesentziehung, und das OLG hatte nun über Ordnungsmittel gegen die Mutter zu entscheiden - in der Regel ein Ordnungsgeld in Höhe von einigen hundert Euro. Hier aber griff das OLG direkt zu einem einschneidenderen Mittel: Es ordnete 30 Tage Haft für die Mutter an. Deren Hartnäckigkeit lasse vermuten, dass weder ein Geldbetrag noch eine kurze Ordnungshaft von wenigen Tagen den Zweck erreichen könne, den Widerstand gegen die Herausgabe aufzugeben. Die Mutter konnte sich nicht damit rechtfertigen, dass sie ärztliche Bescheinigungen einreichte, nach denen eine Herausgabe dem Kindeswohl widerspreche. Denn da sie kein Sorgerecht hatte, hätte sie das Kind gar nicht bei Ärzten untersuchen und behandeln lassen dürfen.
Hinweis: Gegen den Arzt, der wusste, dass die Mutter kein Sorgerecht hatte und der das Kind trotzdem behandelte, wurde berufs- und strafrechtlich vorgegangen.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 31.01.2023 - 10 WF 135/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Eilbetreuung verhindert: Notvertretungsrecht der Ehegattin scheitert nicht an Sprachbarrieren
Es gehörte zu den typischen Irrtümern im Familienrecht, dass sich Ehegatten in einem medizinischen Notfall gegenseitig vertreten dürften und auch über Auskunfts- und Entscheidungsrechte verfügten. Erst seit Januar 2023 hat der Gesetzgeber ein solches "Notvertretungsrecht" von Ehegatten ins Gesetz aufgenommen. Dass in der Praxis die Unsicherheit bei der Anwendung besonders beim ärztlichen Personal noch groß ist, zeigt der folgende Fall vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main (AG).
Hier hatte das Universitätsklinikum eine Eilbetreuung bei Gericht beantragt, weil für einen Patienten etwas zu entscheiden war, was dieser selbst nicht mehr entscheiden konnte. Aus den weiteren Informationen des Krankenhauses hatte sich ergeben, dass der Betroffene verheiratet ist. Deshalb lehnte das Gericht die Einrichtung der Eilbetreuung mit Hinweis auf § 1358 Bürgerliches Gesetzbuch ab. Doch die Klinik war mit der Ehefrau als Vertreterin nicht einverstanden, da es eine "Sprachbarriere" gab.
Doch auch mit diesem Argument gab es keinen externen Betreuer. Eine wie auch immer geartete Eignungsprüfung des Ehegatten findet vor Eintritt des gesetzlichen Ehegattennotvertretungsrechts nicht statt. Mangelnde Deutschkenntnisse allein rechtfertigen laut AG nicht, dass jemand ungeeignet sei, für sich oder andere medizinische Entscheidungen zu treffen. In solchen Fällen sei ein Dolmetscher die passende Lösung, keine gerichtliche Betreuung. Anders sähe es nur aus, wenn die Ehefrau die Vertretung selbst abgelehnt hätte.
Hinweis: Zur Unterstützung des Kommunikationsprozesses zwischen vertretenden Ehegatten und behandelnden Ärzten haben Bundesärztekammer und Bundesjustizministerium einen entsprechenden Vordruck entwickelt. Da das Notvertretungsrecht nur medizinische Fragen umfasst und sowohl inhaltlich als auch zeitlich befristet ist, gilt weiterhin die Empfehlung zu einer weit umfassenderen Vorsorgevollmacht.
Quelle: AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 15.01.2023 - 43 XVII 178/23(aus: Ausgabe 05/2023)
- Schadensersatz wegen Darlehenszinsen: Eheliche Wohlverhaltenspflichten enden nicht mit der Scheidung
Wer meint: "Ab sofort sind wir getrennte Leute!", muss sich als Verheirateter darüber im Klaren sein, dass eheliche Tischtücher hierzulande nicht so schnell durchtrennt sind, wie es sich so manche Ehepaare wünschen. So sind mit Nachwirkungen der Ehe juristisch nicht etwa emotionale Wunden, sondern vielmehr die Konsequenzen einst gemeinsam getroffener Entscheidungen gemeint, die sogar bis nach der Scheidung beide Seiten in die Verantwortung ziehen. Eine solche Nachwirkung hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) im Folgenden zu bewerten gehabt.
Schon seit 2003 war ein Paar geschieden, aber durch eine gemeinsame Immobilie ließ sich die Verbindung nicht zeitnah auflösen. Seit 2017 stritten sie mittels Teilungsversteigerungsverfahren, während 2019 die Zinsbindungsfrist des Immobiliendarlehens auslief. Die Bank unterbreitete dem Mann ein Angebot zur Anschlussfinanzierung, aber dazu kam es mangels Unterschrift der Frau nicht. Das Darlehen wurde daher weiterhin mit über 6 % "Tageszins" statt mit den von der Hausbank angebotenen 1,2 % verzinst. Der Mann behauptete, es hätten ihm von anderen Banken noch bessere Angebote mit unter 1 % Zinsen vorgelegen. Daher wollte er die Differenz - den Zinsschaden - nun von der Frau erstattet bekommen.
Der hätte auch ihm zugestanden, wenn er seine Behauptungen hätte beweisen können. Schließlich gebe es gewisse "Wohlverhaltenspflichten", die sich aus der ehelichen Beistandspflicht ergeben und nicht mit der Scheidung enden. Zerrüttung und Trennung der Ehe heben solche Verpflichtungen eben nicht auf. Dementsprechend muss ein Ehegatte als Nachwirkung der Ehe auch noch nach deren Scheidung finanzielle Lasten des anderen vermindern, soweit ihm dies ohne Verletzung der eigenen Interessen möglich ist. Und auch aus der Bruchteilsgemeinschaft kann ein Teilhaber vom anderen in Bezug auf das gemeinsam finanzierte Grundstück eine dem Interesse aller Teilhaber dienende und billigem Ermessen entsprechende Verwaltung verlangen. Allerdings muss dann aber auch ein konkretes Angebot nachgewiesen werden, das dem Ehepartner zudem auch nachweislich zugegangen sein muss. Daran fehlte es dem OLG hier.
Hinweis: Bei einer Berechnung der Höhe des Schadens wäre zu berücksichtigen gewesen, dass ein Darlehen ohne Kündigungsfrist/Vorfälligkeitsentschädigung auch Vorteile hat, wenn die Verwertung der Immobilie demnächst ansteht. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es ohnehin nicht anzuraten gewesen, ein Darlehen mit langer Laufzeit des günstigen Zinses wegen abzuschließen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 10.03.2023 - 13 UF 117/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Syrische "Handschuhehe": Erteilte Vollmacht muss sich auf konkrete Braut beziehen
Nach dem syrischen Eherecht ist eine Stellvertretung bei der Eheschließung möglich. Dem Stellvertreter kann unter bestimmten Umständen sogar die konkrete Auswahl des Ehepartners überlassen werden. Während Ersteres in Deutschland durchaus anerkannt werden kann, ist die zweite Variante - die Wahl des Ehepartners anderen zu überlassen - hierzulande rechtlich nicht akzeptabel. Beide Möglichkeiten in einem konkreten Fall voneinander zu unterscheiden, war Aufgabe des Oberlandesgerichts Nürnberg (OLG).
Während es in Deutschland undenkbar ist, dass eine standesamtliche Hochzeit ohne persönliche Anwesenheit beider Brautleute vollzogen wird, lassen andere Rechtsordnungen dies zu. So war ein Syrer in Syrien verheiratet worden, während er sich in Deutschland befand. Dabei wurde er durch seinen Vater vertreten, dem er drei Jahre zuvor eine entsprechende Vollmacht erteilt hatte. Man nennt dies "Handschuhehe". Als das syrische Paar nun in Deutschland ein Kind bekam, war es beim Standesamt, um die Eheschließung nach deutschem Recht anerkennen zu lassen. Die einst erteilte Vollmacht war jedoch zu allgemein und umfassend formuliert, was die konkrete Bezeichnung bzw. Benennung der Braut anging.
Wäre die Braut in der Vollmacht namentlich genannt gewesen, wäre auch die Eheschließung anerkannt worden. Aus deutscher Sicht inakzeptabel ist es aber, mit jemandem verheiratet zu werden, den womöglich ein anderer per Vollmacht ausgesucht habe. Und dass zwischen der Vollmachterteilung und der Hochzeit in Syrien ganze drei Jahre vergingen, erweckte beim OLG durchaus den Anschein, dass der Vater die Braut ausgesucht habe (was dieser bestritt). Praktische Probleme entstanden bei der Beweisaufnahme zudem dadurch, dass vom syrischen Staat keine Rechtshilfe zu erwarten war, und weil eine Zeugenvernehmung per Videokonferenz mit dem Ausland verfahrensrechtlich unzulässig ist. Der bevollmächtigte Vater konnte daher nicht als Zeuge vernommen werden. Deshalb konnte der Mann seine Behauptung nicht beweisen, dass bereits bei Erteilung der Vollmacht allen klar gewesen sei, um welche konkrete Braut es ginge.
Hinweis: So skurril es manchen erscheinen mag, Handschuhehen sind in Deutschland durchaus anerkennungsfähig. Dafür muss eine hierzu erteilte Vollmacht aber aussagekräftig genug sein, um den Anschein auszuräumen, dass andere als der Ehepartner selbst die Brautwahl übernommen haben könnten.
Quelle: OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.02.2023 - 11 W 2076/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Unterhaltsbefreiter Samenspender: Mutter muss 30.000 EUR Unterhaltsvorschuss zurückerstatten
Kindesunterhalt ist eigentlich unverzichtbar. Diesen können Eltern auch nicht durch eine Vereinbarung umgehen, durch die das Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert. Möglich ist jedoch eine "Freistellung", mit der sich die Mutter zum Beispiel im Fall einer Samenspende verpflichtet, den Unterhalt anstelle des Vaters zu übernehmen. An einer solchen Freistellungsvereinbarung fehlte es im folgenden Fall des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zwar - doch die Basis, auf der die Samenspende zustande kam, sprach eindeutig für den Spender.
Auf der Internetseite "Spermaspender.de" verabreden sich Frauen, die unkompliziert ein Kind von einem Fremden empfangen wollen, mit spendenbereiten Männern. Grund dafür ist häufig, dass zwei Frauen ein Kind in einer lesbischen Partnerschaft erziehen möchten, ohne dass es einen Vater gibt, der Rechte am Kind geltend machen könnte. Der Zeugungsvorgang geschieht dann ohne Körperkontakt als sogenannte Becherspende. Ein Mann hatte auf diese Weise bereits mehrere Kinder gezeugt und unterhielt zu den Frauen und Kindern zum Teil freundschaftlichen Kontakt. Zu einer der Mütter war die Freundschaft jedoch schnell vorbei, als diese beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragte und die Unterhaltvorschusskasse später beim Vater knapp 30.000 EUR vollstreckte.
Der Mann legte dem OLG sein Inserat auf der Spermaspender-Website vor. Dort hatte er geschrieben: "Ich habe keine finanziellen Interessen, nur sollte eurerseits die Bereitschaft bestehen, Unkosten zu übernehmen. Unterhalt möchte ich nicht zahlen. Ich möchte weder vorher noch nachher Kosten tragen müssen." Weil die Zeugung auf dieser Basis zustande gekommen war, gab das OLG dem Mann recht. Er musste keinen Unterhalt zahlen und bekam das bereits Gezahlte zurück.
Hinweis: Die Freistellungsvereinbarung kann der Mann nur gegenüber der Mutter geltend machen, nicht gegenüber der Unterhaltsvorschusskasse. Deshalb musste er dorthin erstmal einzahlen und anschließend die Mutter auf Erstattung verklagen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 27.02.2023 - 13 UF 21/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- 75 % Haftungsquote: Müllabfuhr haftet nach Kollision eines Müllcontainers mit einem Pkw
Laut Rechtsprechung verschiedener Gerichte darf an Müllfahrzeugen im Einsatz nur langsam vorbeigefahren werden - also mit Schrittgeschwindigkeit oder mit zwei Metern Sicherheitsabstand. Das Oberlandesgericht Celle (OLG) unterzog diese Alltagspraxis einer Prüfung. Anlass gab die Versicherung, bei der die Müllentsorgungsfirma ihre Fahrzeuge versichert hatte und die Schadensersatzzahlungen mit den Hinweis verweigerte, dass der entstandene Kollisionsschaden allein der Unfallgegnerin anzulasten sei.
Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes fuhr mit dem Dienstfahrzeug an einem Müllfahrzeug vorbei. Und eben jenes Müllfahrzeug, das am rechten Fahrbandrand stand, war erkennbar im Einsatz: Der Motor lief, die Schüttung war in Betrieb und das gelbe Rundumlicht war eingeschaltet. Als die Autofahrerin nun an diesem Müllfahrzeug vorbeifuhr, kam es - Sie werden es ahnen - zur Kollision. Sie stieß mit einem Müllcontainer zusammen, den ein Mitarbeiter der Müllabfuhr hinter dem Müllfahrzeug quer über die Straße schob. Die Halterin des Pflegedienstfahrzeugs forderte daraufhin Schadensersatz. Doch diesen verweigerte die Versicherung, da sie der Ansicht war, die Geschädigte sei nicht aufmerksam genug an dem Fahrzeug vorbeigefahren und habe den Schaden selbst zu verantworten.
Das OLG entschied jedoch, dass eine Schadensteilung von 75 % zu 25 % zu Lasten des Müllfahrzeugs durchaus angemessen sei. Entgegen der Meinung des Müllunternehmens sei es nicht uneingeschränkt notwendig, zwei Meter Seitenabstand einzuhalten und mit Schrittgeschwindigkeit an einem solchen Fahrzeug vorbeizufahren. Vielmehr müsse man die gegebenen Örtlichkeiten und Sichtverhältnisse berücksichtigen. Die Geschädigte sei mit rund 13 km/h an dem Fahrzeug vorbeigefahren und habe damit gezeigt, dass ihr die besondere Situation bewusst war. Demgegenüber hat der Mitarbeiter der Müllabfuhr einen vom Müllfahrzeug verdeckten schweren Müllcontainer auf die Straße geschoben, ohne auf den Verkehr zu achten. Auch wenn Müllfahrzeuge im Einsatz Sonderrechte haben, entbinde dies die Mitarbeiter nicht, ebenfalls aufmerksam zu sein. Wenn ein Container ohne Sichtkontakt zur Straße hinter einem Müllwagen hervorgeschoben wird, sei das ein Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten. Dieser Verstoß rechtfertige eine Verschuldensquote von 75 %. Dennoch war eine 25%ige Mithaftung aus der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs der Geschädigten zuzurechnen.
Hinweis: Nach der Rechtsprechung verschiedener Gerichte darf an Müllfahrzeugen im Einsatz nur langsam, das heißt in der Regel mit Schrittgeschwindigkeit oder mit zwei Metern Sicherheitsabstand, vorbeigefahren werden. Hintergrund ist, dass bei Einsatz der privilegierten Fahrzeuge tätige Personen die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt nicht stets in jeder Hinsicht beachten (können), weil ihr Hauptaugenmerk auf ihrer Arbeitsverrichtung liegt. Nicht nur im Hinblick auf das auf die Arbeitsverrichtung gerichtete Hauptaugenmerk, sondern auch mit Blick auf die zu fordernde Effizienz der Müllabfuhr müssten andere Verkehrsteilnehmer damit rechnen, dass Müllwerker im Einsatz ihre Pflichten etwa aus § 1 Straßenverkehrs-Ordnung (Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme) nicht im selben Maße erfüllen, wie nicht privilegierte Verkehrsteilnehmer; es müsse demnach etwa mit plötzlich vor oder hinter dem Fahrzeug hervortretenden Personen gerechnet werden.
Quelle: OLG Celle, Urt. v. 15.02.2023 - 14 U 111/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Erhöhte Betriebsgefahr: Unfall bei "Touristenfahrt" auf Rennstrecke rechtfertigt Haftungsanteil von 75 %
Wer einmal richtig aufs Gaspedal drücken möchte, ohne dabei Gesetze zu übertreten, kann dies auf dafür freigegebenen Rennstrecken tun. Dass auch dieses Unterfangen nicht ohne Gefahren ist, sollte klar sein. Wie es sich mit aber der Haftungsverteilung verhält, wenn ein anderes Fahrzeug am Unfallgeschehen - wenn auch nur durch ausgelaufene Betriebsmittel - beteiligt war, zeigt der Fall des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG).
Hier nahm ein Autofahrer mit seinem Fahrzeug an einer sogenannten Touristenfahrt auf einer freigegebenen Rennstrecke teil. In der Nordschleife kam er dann jedoch durch Schmiermittel auf der Fahrbahn ins Schleudern und verunfallte. Schließlich forderte der Mann Schadensersatz von der Versicherung des Fahrzeugs, bei dem die Flüssigkeit ausgetreten war.
Das OLG entschied, dass der Verunfallte selbst zu 75 % hafte, der andere Beteiligte immerhin zu 25 %. Denn dieser hatte kurz zuvor bemerkt, dass Betriebsmittel aus seinem Fahrzeug ausgetreten waren. Dass er dennoch nicht sofort angehalten habe, sei fahrlässig gewesen.
Hinweis: Bei der Quotenbildung war von einer erhöhten Betriebsgefahr des verunfallten Fahrzeugs auszugehen. Die Kurve sei bekannt dafür, dass sich dort Betriebsmittel auf der Strecke befinden könnten. Ein zu schnelles - aber auch zu langsames! - Fahren könne dort schnell zu Unfällen führen. Daher war hier die erhöhte Betriebsgefahr anzunehmen.
Quelle. OLG Koblenz, Beschl. v. 19.01.2023 - 12 U 1933/22
(aus: Ausgabe 05/2023)
- Keine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit: Versehentlicher Verstoß gegen Rechtsfahrgebot ist nicht als rücksichtslos zu werten
Wer schon in Ländern mit Linksverkehr geurlaubt hat, weiß, wie schwer die Umgewöhnung vom gewohnten Verkehrsverhalten fallen kann. Die gute Gewohnheit zu überwinden, war für den Betroffenen im folgenden Fall offensichtlich vor allem bei seiner Rückkehr in unsere rechtsfahrenden Gefilde ein Problem. Und da es aufgrund seiner noch sehr frischen Urlaubsgewohnheiten zu einem Unfall kam, wurde die Sache damit auch zum Problem des Oberlandesgerichts Zweibrücken (OLG), das es aber zu lösen wusste.
Ein Autofahrer befuhr nach einem siebenwöchigen Thailandaufenthalt (Linksverkehr) aus Gewohnheit die linke statt der rechten Fahrspur, als er vom Flughafen nach Hause wollte. Nach wenigen Minuten kam es zu einem Frontalzusammenstoß mit einem entgegenkommenden Wagen. Der Fahrer wurde schließlich wegen fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs angeklagt und in erster Instanz verurteilt. Doch das wollte er nicht auf sich sitzen lassen - er legte Berufung ein, weil er der Ansicht war, nicht rücksichtslos gehandelt zu haben, wie es bei einer Straßenverkehrsgefährdung notwendig sei. Er sei lediglich unachtsam gewesen, da er sich so lange in einem Land mit Linksverkehr aufgehalten habe.
Dieser Argumentation konnte sich das OLG nicht verschließen und stimmte ihr zu. Rücksichtslos handele ein Fahrer nur, wenn er das korrekte Verhalten kenne, sich dennoch bewusst anders verhalte und es ihm egal sei, welche Konsequenzen für Dritte drohen. Es müsse also eine Kombination aus grobem Fehlverhalten und verwerflicher Gesinnung vorliegen. Diese sei hier zunächst nicht zu erkennen. Die Sache wurde daher zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.
Hinweis: Das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit - wie hier - genügen hierfür nicht.
Quelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 28.11.2022 - 1 OLG 2 Ss 34/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Teil der Betriebseinrichtung? BGH grenzt Haftung aus der Betriebsgefahr bei Brand von ausgebauter Batterie ein
In der Reihe seiner Entscheidungen zu Schäden durch brennende Fahrzeuge, die die Betriebsgefahr als sehr weitgehend beurteilt hatten, hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine Grenze zu der Betriebsgefahr für sogenannte Betriebseinrichtungen und sogenannte Betriebsvorgänge gezogen.
Der Besitzer eines E-Scooters brachte sein Fahrzeug zur Inspektion in eine Kfz-Werkstatt. Dort baute ein Mitarbeiter die Batterie des Elektrorollers aus und begann, sie aufzuladen. Als er bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und legte sie zur Abkühlung auf den Werkstattboden. Doch statt abzukühlen, explodierte die Batterie und setzte das Gebäude in Brand. Es entstand ein Gebäude- und Mietausfallschaden in Höhe von rund 730.000 EUR. Der eintrittspflichtige Gebäudeversicherer (Kläger) regulierte den Gebäudeschaden zwar, wandte sich zum Regress aber dann an die Haftpflichtversicherung (Beklagte) des Halters.
Der BGH schüttelte hier aber mit den Köpfen und legte dar, dass es für eine Haftung nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) grundsätzlich unerheblich ist, dass sich der Roller und die Batterie zur Inspektion in einer Werkstatt befanden. Es mache rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand - unabhängig vom Fahrbetrieb selbst - vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Insoweit reicht es auch aus, wenn der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung eines Fahrzeugs steht.
Im vorliegenden Fall wurde die Betriebsgefahr verneint, da die Erhitzung und nachfolgende Explosion der Batterie gerade nicht in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung (Roller) standen, da sie bereits ausgebaut war. Der BGH weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass kein Unterschied zum "umgekehrten Fall" bestehe - also wenn eine neue Batterie erst aufgeladen und dann in einen Elektroroller eingebaut werde. Die Batterie ist nicht mehr bzw. war noch nicht Teil der Betriebseinrichtung. Auch dass die Batterie zuvor in einem Elektroroller eingebaut war und in diesem entladen wurde, belegt nicht den erforderlichen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang. Die Klage hatte daher keinen Erfolg.
Hinweis: Geraten Teile eines Fahrzeugs, die ausgebaut sind, in Brand, fällt dies grundsätzlich nicht mehr unter die Betriebsgefahr und somit unter eine Haftung aus § 7 StVG.
Quelle: BGH, Urt. v. 24.01.2023 - VI ZR 1234/20(aus: Ausgabe 05/2023)
- Versuchte Nötigung: Kein Recht auf Sicherstellung eines falsch abgestellten E-Scooters
In Paris hat eine kleine, aber entscheidende Zahl der Abstimmungsberechtigten gerade dafür gestimmt, E-Scooter künftig aus der Stadt zu entfernen. Viele Städter hierzulande neiden den Franzosen diese Entscheidung - mit Sicherheit. Besonders weil es rechtlich nicht oft toleriert wird, Ungeliebtes oder Störendes eigeninitiativ vom öffentlichen Grund zu entfernen - so war es auch im Fall vor dem Amtsgericht Düsseldorf (AG).
Hier fand ein Mann vor seiner Garage einen E-Roller, der die Einfahrt blockierte. Mit Hilfe einer Sackkarre beseitigte er das Fahrzeug, stellte es in seine Garage und schrieb schließlich die Vermietfirma des E-Scooters an: Er forderte 35 EUR für die Herausgabe des Rollers. Die Firma zahlte aber nicht etwa - sie erstattete vielmehr Anzeige wegen versuchter Nötigung. Prompt erhielt er auch eine Verwarnung mit Androhung einer Geldstrafe von 3.000 EUR im Wiederholungsfall. Das wollte sich der Betroffene nicht gefallen lassen, er erhob Einspruch. Hier habe gar keine Nötigung vorgelegen, er habe mit den 35 EUR vielmehr seinen Aufwand für das Wegschaffen des Rollers und das Verfassen des Briefs erstattet bekommen wollen.
Das AG Düsseldorf entschied, dass ein Versetzen des Rollers ausgereicht hätte. Das Einbehalten und Fordern einer Geldsumme vor Herausgabe stellen eine versuchte Nötigung dar. Der Angeklagte nahm den Einspruch daraufhin zurück und muss zusätzlich 200 EUR an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.
Hinweis: Wer eine andere Person durch die Drohungen zu einem bestimmten Verhalten zwingt, macht sich der Nötigung schuldig. Von einer versuchten Nötigung spricht man, wenn sich das Opfer der ungewollten Willensbeugung widersetzt und sich dementsprechend nicht zu der vom Täter geforderten Handlung zwingen lässt. Der Versuch einer Nötigung ist aber strafbar.
Quelle: AG Düsseldorf, Beschl. v. 12.01.2023 - 126 Cs 248/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Ausübung rechtsmissbräuchlich: Widerspruch beim Abschluss der Lebensversicherung nach 29 Jahren
Vielfach konnten neuabgeschlossene Lebensversicherungen innerhalb einer bestimmten Frist widerrufen werden. War der Hinweis auf den Widerruf nicht ordnungsgemäß erfolgt, galt auch die im Widerruf aufgeführte Frist nicht. Entsprechend ist dann auch ein Widerruf nach vielen Jahren noch möglich. Dass es jedoch auch hier Grenzen gibt, zeigt der Fall des Landgerichts Köln (LG).
Eine Frau hatte im November 1994 bei einer Versicherung eine fondsgebundene Lebensversicherung abgeschlossen. Auf Seite 1 des Antragsformulars war folgende Belehrung enthalten: "Ich kann meinen Antrag auf Lebensversicherung innerhalb von 10 Tagen nach seiner Unterzeichnung widerrufen ..." Als die Versicherung zum 01.12.2009 ablief, zahlte die Versicherung 83.832 EUR. Am 04.11.2021 erklärte die Frau dann den Widerspruch. Sie war der Ansicht, sie habe sich mangels ordnungsgemäßer Belehrung auch noch im Jahr 2021 von dem Vertrag lösen können und wollte nun weitere 28.431 EUR sowie die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Versicherung meinte jedoch, die Ausübung des Widerspruchsrechts sei rechtsmissbräuchlich.
Das LG sah dies genauso. Die Ausübung des Widerspruchsrechts war nach 29 Jahren unzulässig und stellte sich als grob widersprüchliches und damit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßendes Verhalten dar. Der Versicherer musste daher mit einem Widerspruch des Versicherungsnehmers nicht mehr rechnen. Auch die Versicherungsnehmerin war insoweit nicht mehr schutzwürdig.
Hinweis: Die Gerichte sind mit dem Grundsatz des Verfalls wegen Zeitablauf sehr restriktiv. Trotzdem ist irgendwann Schluss - nach diesem Urteil spätestens nach 29 Jahren.
Quelle: LG Köln, Urt. v. 11.01.2023 - 12 O 60/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Außergewöhnlicher Umstand: Keine Ausgleichszahlung nach Verspätung durch Blitzeinschlag
Wer mit dem Flugzeug zu spät kommt, lässt meistens prüfen, ob es eine Ausgleichszahlung dafür geben kann. Es war die Aufgabe des Landgerichts Frankfurt am Main (LG), den Zahlungsanspruch von Flugpassagieren nach einer erheblichen Verspätung einer Prüfung zu unterziehen.
Der betreffende Flug verspätete sich um acht Stunden und 50 Minuten - Grund für die Verspätung: ein Blitzeinschlag am vorgesehenen Flugzeug. Deshalb wurden nun Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 Verordnung EG Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) geltend gemacht. Geld gab es jedoch keins.
Das ausführende Luftfahrtunternehmen war in den Augen des LG nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen wegen der Verspätung von mehr als drei Stunden zu leisten, da die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen war, die sich nicht hätten vermeiden lassen. Ein Blitzeinschlag stellt nach der Ansicht der Richter durchaus einen solchen außergewöhnlichen Umstand dar. In einer ähnlichen Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof auch bereits einen Vogelschlag als außergewöhnlichen Umstand betrachtet. Dieser Fall des Blitzeinschlags ist insoweit damit vergleichbar.
Hinweis: Ob es eine Ausgleichszahlung wegen eines verspäteten oder ausgefallenen Flugs geben kann, prüft der Rechtsanwalt. Er ist für diesen Fall Ansprechpartner, ebenso wie für die gesamten Fragen des Reiserechts.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.02.2023 - 2-24 S 14/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Schwarzarbeit und Beitragsnachforderungen: Fehlendes Unternehmerrisiko von Bauarbeitern widerspricht Nachunternehmervertrag
Immer wieder versuchen Firmen, sich durch Nachunternehmerverträge mit Scheinselbständigen um die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu drücken. Wer dabei erwischt wird, wird der Beschäftigung von Schwarzarbeitern beschuldigt und muss sich auf hohe Forderungen einstellen. Das zeigt auch der Fall des Landessozialgerichts Hessen (LSG).
Eine Baufirma ließ drei ungarische Männer, die eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet hatten, Trockenbauarbeiten verrichten. Die GbR war in die Handwerksrolle eingetragen, verfügte über eine sogenannte Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug bei Bauleistungen und erstellte vorläufige Einnahmenüberschussrechnungen. Doch dann ermittelte das Hauptzollamt, und die Deutsche Rentenversicherung (DRV) führte eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte die DRV fest, dass die drei Männer als sogenannte Scheinselbständige abhängig beschäftigt gewesen seien, und forderte von der Baufirma Sozialversicherungsbeiträge inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 103.624,46 EUR. Der Inhaber der Baufirma sah das anders und verwies auf den abgeschlossenen Nachunternehmervertrag. Schließlich wurde geklagt.
Das LSG gab der Rentenversicherung Recht. Bauarbeiter, die im Wesentlichen ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und kein Unternehmerrisiko tragen, sind abhängig beschäftigt. Die beauftragende Baufirma kann sich nicht auf einen Nachunternehmervertrag berufen, wenn dieser lediglich die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern sollte, um der gesetzlichen Sozialabgabepflicht zu entgehen.
Hinweis: Ehrlich währt am längsten. Und dazu gehört die Schwarzarbeit sicherlich nicht. Unternehmer sollten sich trotzdem bei dem Vorwurf einer solchen Beschäftigung direkt an einen Rechtsanwalt wenden - bevor sie Angaben gegenüber den Behörden machen.
Quelle: LSG Hessen, Urt. v. 07.03.2023 - L 8 BA 51/20(aus: Ausgabe 05/2023)
- Steuerhinterziehung und Schwarzgeld: Kein Anspruch auf Rückforderung des geleisteten Kaufpreises bei Nichtigkeit des Kaufvertrags
Wer die Zahlung von Schwarzgeld vereinbart, muss sich über die weitreichenden Konsequenzen im Klaren sein. Und wie im Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) heißt das nicht nur, vor Gericht folgenreich Rede und Antwort zu stehen, sondern letzten Endes auch völlig leer auszugehen, wenn man sein (Schwarz-)Geld zurückverlangt.
Ein Mann verkaufte sein Sportstudio inklusive der Einrichtungsgegenstände. Der vereinbarte Kaufpreis sollte ausweislich des Kaufvertrags 5.000 EUR betragen. Mündlich vereinbarten die Parteien, dass die Käuferin weitere 30.000 EUR zahlen sollte. Dann zahlte die Käuferin 1.000 EUR und der Mann übergab sein Sportstudio. Schließlich erklärte er jedoch ein halbes Jahr später, dass er von dem Vertrag zurücktrete. Er habe lediglich die 1.000 EUR erhalten. Die Frau dagegen behauptete, es sei abgesprochen gewesen, dass die Zahlung der weiteren 30.000 EUR in bar an der Steuer vorbei erfolgen solle - und diese 30.000 EUR habe sie dem Mann auch gegeben. Deshalb verlangte die Frau nun die Rückzahlung der insgesamt 31.000 EUR, die sie jedoch nicht erhielt.
Der Kaufpreis war im Kaufvertrag nach den Richtern zum Zweck der Steuerverkürzung wahrheitswidrig zu niedrig angegeben worden. Deshalb war der Vertrag insgesamt nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 370 Abgabenordnung nichtig. Ein Anspruch auf Rückforderung des geleisteten Kaufpreises ist bei Nichtigkeit des Kaufvertrags jedoch auch vor dem OLG ausgeschlossen.
Hinweis: Die Gerichte in Deutschland gehen immer weiter dazu über, Geschäfte mit Schwarzgeld insgesamt für null und nichtig anzusehen. In diesem Fall wurde tatsächlich die Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Es spricht jedoch alles dafür, dass die Entscheidung richtig ist.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 06.02.2023 - 2 U 78/22(aus: Ausgabe 05/2023)
- Unterlassungsverfügung: Briefkastenaufkleber "Bitte keine Werbung einwerfen!" besser nicht ignorieren
Papier ist ja bekanntlich geduldig. Wie bindend aber der allseits beliebte Briefkastenaufkleber "Bitte keine Werbung einwerfen" für werbetreibende Unternehmen eigentlich ist, war Gegenstand des Falls, der kürzlich vor dem Amtsgericht München (AG) landete.
Bei einer Briefkastenanlage waren sämtliche Briefkästen mit dem Hinweis "Bitte keine Werbung einwerfen" gekennzeichnet. Ein Mann hatte dort trotzdem zwei Werbeflyer einer Umzugsfirma gefunden, die in eine Ritze zwischen einem Briefkasten und einem darunter liegenden Spalt der Briefkastenanlage geklemmt waren. Er legte eine Unterlassungsklage ein.
Das AG war da ganz auf seiner Seite: Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises ging es davon aus, dass die Handzettel eines Unternehmens auch von Werbeverteilern, die für das Unternehmen tätig sind, im Zuge von Werbeaktionen eingeworfen wurden. Hierbei handelt es sich um einen typischen Geschehensablauf. Die pauschale Behauptung, Dritte könnten Handzettel verteilt haben, steht diesem Anscheinsbeweis nicht entgegen. Deshalb stand dem Mann ein Anspruch auf Unterlassung zu. Er wurde in seinem Besitz rechtswidrig gestört. Es bestand außerdem eine Wiederholungsgefahr.
Hinweis: Wer gegen unerwünschte Werbung vorgehen will, kann das durch eine Unterlassungsverfügung tun. Im Wiederholungsfall wird es dann für das verteilende Unternehmen sehr teuer.
Quelle: AG München, Urt. v. 18.03.2022 - 142 C 12408/21(aus: Ausgabe 05/2023)